Direkt zum Hauptbereich

Jeder Überflieger braucht einen Kontrahenten

Ich kenne einige Landesbanken. Deswegen möchte ich endlich ein paar Worte zu einer in meinen Augen falschen Analyse der Landesbanken-Misere der Zeit loswerden.

Der Artikel fängt schon irreführend an. So steht dort: "Dirk Jens Nonnenmacher, Vorstandschef der HSH Nordbank und studierter Mediziner". Dass Jens Nonnenmacher Mediziner ist, suggeriert, dass er für den Führungsposten einer Bank nicht qualifiziert ist. Dass Nonnenmacher zusätzlich habilitierter Mathematiker ist, kommt erst sehr viel später im Text. Dass die BaFin ohnehin die Eignung von Vorstandsvorsitzenden vor ihrer Berufung rigide prüft, fehlt völlig.

Schön sind auch die Verweise auf die Auslandsniederlassung der HSH: "Die Nordlichter haben nun Zugang zu einem "faszinierenden Netzwerk" von Auslandsstellen, in Kopenhagen oder Asien." Wer auf die Karte guckt, stellt fest, dass Kopenhagen nicht viel weiter von Kiel entfernt ist als Hannover. Kiel war früher sogar dänisch. Auch die Vertretungen in Asien machen Sinn, wenn man Schifffahrtsfinanzierungen anbietet. Wichtig ist dabei aber, das Maß zu wahren. Wer sich die New York Geschichten der HSH durchließt, muss daran zweifeln.

Ein anderer Protagonist, der im Text nicht gut wegkommt, ist Rolf Gerlach. Es heißt: "Gerlach kommandiert eine knallharte Lobbytruppe, und er selbst ist seine schärfste Waffe. [...] Es ist Gerlach, der im Frühsommer 2007 die ersten Gespräche über eine Fusion zwischen WestLB und der Landesbank Baden-Württemberg, LBBW, initiiert. [...] Vor allem aber achtet Rolf Gerlach sehr darauf, dass seine Sparkassen bei der Rettung der WestLB möglichst günstig davonkommen." Rolf Gerlach, der schamlose Egoist.

Wenn man heute zurückblickt, war die Fusion mit der LBBW das beste, was der WestLB und dem Land NRW hätte passieren können. Das war nämlich noch, bevor die Riesenlöcher auftauchten. Verhindert wurde die Fusion von Jürgen Rüttgers, dem NRW Ministerpräsidenten, der den "Bankenstandort Düsseldorf" retten wollte. Diese Information fehlt. Auch fehlt, dass damals noch vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger das Angebot im Raum stand, im Gegenzug die Sparkassen-Versicherungsgruppen von NRW und Baden-Würtemberg zu fusionieren: mit Sitz in NRW.

Dann kommt wieder die alte Kamelle auf den Tisch: "Auch die Sparkassen tragen bis heute eine Mitschuld an der Misere. Sie verweigerten den Landesbanken den Zugang zu Kunden in der Heimat [...] ." Man kann einen Kuchen nur einmal verteilen. Entweder die Sparkasse macht das Geschäft oder die Landesbank. Dass sich ein Eigentümer dafür entscheidet, das Geschäft selbst zu machen, kann man ihm nicht vorwerfen. Hinzukommt, dass die Tätigkeit als Zentralinstitut durchaus profitabel sein kann. Fonds auflegen, Kapitalmarkt in fremder Rechnung abwickeln etc., das sind an sich reizvolle Geschäfte, siehe Deka oder WGZ. Voraussetzung ist aber, dass man einen schlanken, günstigen Apparat hat.

Wo der Artikel zu kurz greift, ist bei der Beobachtung der Vernetzung der Landesbanken mit den restlichen Banken Deutschlands: "Fiele die HSH Nordbank, könnte sie alle anderen Landesbanken mitreißen, mit ihnen die Sparkassen und das Finanzsystem." Die Landesbanken waren nicht nur Kontrahenten untereinander und für Sparkassen, sondern das ganze deutsche Finanzsystem ist eng miteinander verpflochten. Die Pointe der Geschichte ist, dass es für jeden Überflieger (sprich Deutsche Bank) einen Kontrahenten (WestLB) auf der anderen Seite des Geschäfts geben muss, der die Rechnung bezahlt.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Thomas Fischer bei der WestLB

2004 kam Thomas Fischer zur WestLB : Die WestLB stand damals vor einem Scherbenhaufen. Einerseits liefen die Landesgarantien auf EU-Weisung im nächsten Jahr aus. Andererseits hatte die Bank die Jahre zuvor durch riskante Investment Banking Geschäfte sehr hohe Verluste eingefahren. Trotzdem darf man die Situation der WestLB 2004 nicht mit ihrer Situation heute verwechseln. Bestimmte Geschäftsbereiche, z.B. Teile des Investment Bankings, galten im Landesbankensektor als attraktiv. Nicht umsonst waren die LBBW und Baden-Württemberg noch 2007 (vor der Finanzkrise) stark an einer Übernahme Fusion mit der WestLB interessiert. Thomas Fischer kam mit einem exzellenten Ruf von der Deutschen Bank. Dort saß er im Vorstand und war Hauptkonkurrent von Josef Ackermann um den Posten des Vorstandsvorsitzenden gewesen. Er war unterlegen und ging. Gehässig könnte man sagen zurecht; dazu später mehr.

Wette: Stephan Kohn passiert gar nichts

Stephan Kohn ist ein seit kurzem beurlaubter Beamter des Bundesinnenministeriums. Er hatte in einem internen Papier, die Corona Strategie der Regierung angezweifelt und hinterfragt. Seine Grundfrage war, ob die Maßnahmen, die wir gegen Corona ergreifen, nicht mehr Leben kosten als Corona selbst. Es braucht keine großen Modellannahmen, um zu diesem Schluss zu kommen. In den Medien wurde er schnurstracks in die rechte Ecke sortiert und als Verharmloser tituliert. Die direkte Reaktion des BMIs war, ihn freizustellen und mit rechtlichen Schritten zu drohen, d.h. der Entfernung aus dem Beamtenstatus. Und ich stelle mich jetzt mal hin und wette, Stephan Kohn passiert gar nichts. Meine Begründung ist ziemlich einfach. Gerichtsverfahren sind immer mit Risiko für beide Parteien versehen. Das Risiko für Stephan Kohn ist überschaubar, weil schon eingetreten. Das Risiko für das BMI und Herrn Seehofer hingegen ist so groß, dass ich überrascht wäre, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt