Direkt zum Hauptbereich

Stuttgart 21 und die liebe Nachbarschaft

Das aktuelle Bahn-Prestigeprojekt heißt Stuttgart 21. Statt eines oberirdischen Kopfbahnhofs soll ein unterirdischer Durchfahrtsbahnhof entstehen, der über Tunnel angefahren wird. Klingt wahnsinnig? Wahnsinnig teuer: 5 Mrd and counting.

Die Befürworter führen einige Punkte für den Bahnhof auf. Zuallerst sind Kopfbahnhöfe nicht ohne Grund unpopulär: Sie kosten Zeit. Wer z.B. aus dem Südwesten aus Stuttgart zum Hauptbahnhof will, fährt eine schöne Spirale um die Innenstadt:


Noch schöner als in Stuttgart sind übrigens die Spiralfahrten um Frankfurt herum, wenn man auf der Nord-Süd-Achse unterwegs ist. Wie ich es hasse...

Neben der extra Wegstrecke kosten auch Gleiskreuzungen viel Zeit. Angenommen ich komme aus Karlsruhe (Nordwesten) und will nach München (Südosten). Dann muss ich einmal alle Gleise des Bahnhofs kreuzen: Ich blockiere also den gesamten Verkehr des Bahnhofs. Mit Sicherheitsabstand ist man schnell bei drei Minuten, die ein Zug, der von Nordwesten kommt und nach Südosten möchte, den ganzen Bahnhof stilllegt.



Die Befürworter zielen aber auf mehr als den reinen Geschwindigkeitsgewinn ab. Es ist ohnehin immer eine schwierige Frage, wieviel Zeiteinsparung wieviel Kosten rechtfertigt. Den Visionären geht es um moderne Landgewinnung. Hierzu muss man einen Blick auf die Topographie Stuttgarts werfen. Stuttgart liegt zwischen Hügeln und ein großer Teil der besten Siedlungsfläche wird durch den Bahnhof und die Gleisanlagen belegt. Indem der Bahnhof unter die Erde wandert, erhält Stuttgart ein neues urbanes Zentrum. Anders als früher reichlich naiv gehofft, wird sich diese Landgewinnung nicht von selbst bezahlen. Tut es in Hamburg aber auch nicht.

Ob Stuttgart 21 die Milliarden wert ist? Darüber kann man und soll man sich in einer Demokratie streiten. Ich z.B. kann im Stuttgarter Hauptbahnhof kein "Meisterwerk der Architektur" erkennen.


Stuttgart Hauptbahnhof - quox@flickr.com

Als Referenz empfehle ich allen Stuttgartern Ausflüge nach Hamburg Dammtor, Köln Hbf, Berlin Hbf oder Dresden Hbf.


 Dresden Hauptbahnhof - mel_ilm@flickr.com

Als Bank-affiner Mitbürger muss ich übrigens weinen, wenn 15.000 besorgte Bürger sich auf dem Arnulf-Klett-Platz am Stuttgarter Hauptbahnhof versammeln, um gegen Steuerverschwendung zu demonstrieren. Was war da noch mal in der Nachbarschaft?


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Thomas Fischer bei der WestLB

2004 kam Thomas Fischer zur WestLB : Die WestLB stand damals vor einem Scherbenhaufen. Einerseits liefen die Landesgarantien auf EU-Weisung im nächsten Jahr aus. Andererseits hatte die Bank die Jahre zuvor durch riskante Investment Banking Geschäfte sehr hohe Verluste eingefahren. Trotzdem darf man die Situation der WestLB 2004 nicht mit ihrer Situation heute verwechseln. Bestimmte Geschäftsbereiche, z.B. Teile des Investment Bankings, galten im Landesbankensektor als attraktiv. Nicht umsonst waren die LBBW und Baden-Württemberg noch 2007 (vor der Finanzkrise) stark an einer Übernahme Fusion mit der WestLB interessiert. Thomas Fischer kam mit einem exzellenten Ruf von der Deutschen Bank. Dort saß er im Vorstand und war Hauptkonkurrent von Josef Ackermann um den Posten des Vorstandsvorsitzenden gewesen. Er war unterlegen und ging. Gehässig könnte man sagen zurecht; dazu später mehr.

Wette: Stephan Kohn passiert gar nichts

Stephan Kohn ist ein seit kurzem beurlaubter Beamter des Bundesinnenministeriums. Er hatte in einem internen Papier, die Corona Strategie der Regierung angezweifelt und hinterfragt. Seine Grundfrage war, ob die Maßnahmen, die wir gegen Corona ergreifen, nicht mehr Leben kosten als Corona selbst. Es braucht keine großen Modellannahmen, um zu diesem Schluss zu kommen. In den Medien wurde er schnurstracks in die rechte Ecke sortiert und als Verharmloser tituliert. Die direkte Reaktion des BMIs war, ihn freizustellen und mit rechtlichen Schritten zu drohen, d.h. der Entfernung aus dem Beamtenstatus. Und ich stelle mich jetzt mal hin und wette, Stephan Kohn passiert gar nichts. Meine Begründung ist ziemlich einfach. Gerichtsverfahren sind immer mit Risiko für beide Parteien versehen. Das Risiko für Stephan Kohn ist überschaubar, weil schon eingetreten. Das Risiko für das BMI und Herrn Seehofer hingegen ist so groß, dass ich überrascht wäre, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt