Es ist jetzt schon einige Monate her, dass ich die magische Schwelle von 2000€ Umsatz bei der Deutschen Bahn überschritten habe. Damit bin ich jetzt bis Ende August bahn.comfort Kunde. Falls ich meine Bahncard verlängere, sogar noch ein Jahr länger.
Als ich noch Student war und ab und an nach Hause oder zum Fußball fuhr, beneidete ich all diejenigen, die bahn.comfort Kunden waren. Sie konnten in der Lounge auf ihren im Zweifelsfall verspäteten Anschlusszug warten, wo es Sitzplätze, Getränke und Zeitungen gab, während ich am Bahnsteig oder in der Bahnhofshalle abhing. Und im Zug waren immer diese blöden Sitzplätze, die als Reservierung nur "bahn.comfort" zeigten. Diese Plätze sind für bahn.comfort Kunden freizugeben, falls man selbst kein bahn.comfort Kunde ist. Für mich, als Normalkunden, waren diese Plätze immer Stress, weil ich eben nicht wissen konnte, ob die Plätze frei waren oder nicht. Bei jeder Station war ich in Panik, dass jemand käme und den Platz für sich reklamierte. Deswegen zog ich es vor, mir von vornherein einen anderen Platz zu suchen.
Als bahn.comfort Kunde sollte alles anders werden. Warten in der Lounge! Platz finden selbst in vollsten Zügen! Ich bin dabei! ... Wenn es denn so wäre...
Auf meinen Fahrten vom und zum Kunden habe ich jeweils knapp 30 Minuten Aufenthalt an verschiedenen deutschen Bahnhöfen. Leider bin ich entweder sehr früh (6h) oder sehr spät (22.30h) am Bahnhof, so dass die Lounges schon geschlossen sind. Pech.
Mit einem zusätzlichen Mal umsteigen (höherer Preis, gleiche Fahrtdauer) schaffe ich es auf der Hinfahrt trotzdem in eine Lounge, wo ich 30 Minuten auf meinen Anschluss warte. Das sieht länger aus, als es ist. Große Hauptbahnhöfe sind voll von Menschen, so dass ich mit Gepäck für die 200m vom Bahnsteig zur Lounge locker fünf Minuten benötige, hin und zurück zehn. Dann muss ich auch noch Puffer einplanen, weil ich meinen Anschluss unter keinen Umständen verpassen will. Macht netto 15 Minuten Lounge. Das reicht gerade, um sich einen wässrigen Kaffee zu nehmen, einmal die Schlagzeilen und ein paar Kommentare der FT zu überfliegen und auf Klo zu gehen. Die Klos in den DB Lounges kann ich vorbehaltlos empfehlen.
Neulich war mein Anschluss sogar verspätet. Ich hätte also entspannt in der Lounge warten und Zeitung lesen können. Denkste. Auf Verspätungen und Verspätungsansagen kann man sich bei der Deutschen Bahn nicht verlassen. Erst waren es fünf Minuten, dann zehn. Und als ich am Bahnsteig stand, waren es dann doch unter fünf Minuten. Ich meine, dass weiterhin zehn Minuten angeschlagen waren. Die Folge der Verspätungsansagen folgt also keiner monoton steigenden Funktionen. Und der Verspätungswert fungiert weder als obere noch als untere Schranke für die eigentliche Abfahrtzeit. Erinnert mich an den Bistr-O-Matic Drive.
Neben der Verlässlichkeit ist auch die zeitliche Verfügbarkeit der Information ein großes Problem. Wenn ich von Anfang an wüsste, dass ein Zug 30 Minuten verspätet ist, kann ich locker 20 Minuten zusätzlich in der Lounge abhängen. Normal läuft es leider so. Fünf Minuten (t-5) vor der planmäßigen Abfahrt (t0) werde ich über eine fünfminütige Verspätung (t5) informiert werde. Deswegen gehe ich vor t0 zum Bahnsteig. Dort werde ich um t5 über eine zehnminütige Verspätung informiert (t10). Für fünf Minuten laufe ich nicht zurück. Und dann wird alle fünf Minuten inkrementiert, bis letztendlich der Zug einfährt.
Da ich häufig Donnerstag oder Freitag abends unterwegs bin, fahre ich auch häufig in überfüllten Zügen. Als ich gerade bahn.comfort Kunde geworden war, habe ich direkt die Schaffnerin gefragt, wo denn der bahn.comfort Sitzplatzbereich sei. Sie hat mir dann nur entgegnet, dass der Zug voll ist und damit auch der bahn.comfort Sitzplatzbereich. Man muss nämlich wissen, dass es gar nicht so wenige bahn.comfort Kunden gibt. Z.B. ist jeder Berufspendler bahn.comfort Kunde, wenn er eine Jahreskarte im Wert von 2000€ hat (passiert schnell). Auch als Geschäftsreisender schafft man den Status relativ schnell, indem man teure ICEs nimmt oder ab und an erste Klasse fährt. In einem vollen Zug sind die wenigen bahn.comfort Plätze deshalb schnell weg.
Abgesehen davon, gibt es auch noch eine zweite Hürde. Angenommen es gibt im bahn.comfort Bereich keine freien Plätze, aber es gibt Plätze, die durch nicht bahn.comfort Kunden belegt sind. Wie findet man die? Man kann jetzt jeden Reisenden fragen, ob er wirklich bahn.comfort Kunde ist: Könnte ich mal Ihre Karte sehen? Dürfen Sie hier wirklich sitzen? Sie wollen doch in diesem überfüllten Zug stehen, oder? Genau: Die Idee des speziellen Sitzplatzbereichs sieht auf dem Papier besser aus als in Realität. Genau wie bahn.comfort als Ganzes.
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