Direkt zum Hauptbereich

Zu viel Arbeit für 40h? Dann arbeite doch länger.

Die erste Reaktion auf ein Mehr an Arbeit ist mehr zu arbeiten. Wenn 40h nicht reichen, dann muss man "eben eine Schippe zulegen". 40 Stunden sind ohnehin was für Pünktlichstempler und Karriereknicker ...

Die Logik hinter Überstunden und Mehrarbeit ist einfach. Arbeite ich pro Tag eine Stunde mehr (12,5%), dann schaffe ich auch 12,5% mehr weg. Ich kann also ein Achtel mehr Arbeit bewältigen. Übertragen auf das EVA-Modell sind Überstunden eine Maßnahme, die sich allein auf die Verarbeitung beziehen. Es kommt mehr rein, es muss mehr raus, also arbeite ich länger.

Zusätzlich verschaffe ich mir durch Überstunden zeitliche Flexibilität. Sie helfen mir, auf Termindruck zu reagieren. Angenommen es ist Wochenbeginn und ich erfahre, dass ich am Freitag eine Präsentation beim Kunden geben soll. Für die Erstellung der Präsentation benötige ich vierzig Stunden (eine Mannwoche). Mache ich Dienst nach Vorschrift, bin ich erst Freitag Abend fertig, also zu spät. Deshalb arbeite ich von Montag bis Donnerstag 10h statt 8h. Durch die Überstunden gelingt es mir, einen Tag früher fertig zu werden, nämlich Donnerstag Abend, und ich kann meinen Kundentermin pünktlich wahrnehmen.

So erfolgreich ich in diesem Beispiel darin war, den Termin zu halten, so wenig hat sich mein Aufwand geändert. Ich habe weiterhin 40h gearbeitet. Das heißt, ich bin zwar früher fertig geworden, aber eben nicht schneller. Überstunden verbessern also meine Effizienz nicht.

Im Beispiel unterstelle ich, dass sich fünf Tage à acht Stunden verlustfrei in vier Tage à zehn Stunden umrechnen lassen. Diese Prämisse ist ähnlich realistisch, wie die Annahme effizienter Märkte. Angenommen mein Projekt hat einen Aufwand von 100 Manntagen. Lasse ich 100 Mitarbeiter je einen Tag am Projekt arbeiten, ist das Projekt trotzdem nicht morgen fertig. Zwischen Teilaktivitäten eines Projekts bestehen zeitliche Abhängigkeiten. Z.B. muss man die Anforderungen erheben, bevor man mit der Programmierung beginnt. Daneben erfordert die Zusammenarbeit vieler Menschen Abstimmungsaufwand, der nicht zu unterschätzen ist. Im Falle der Überstunden-befeuerten Angebotserstellung von oben kann es mir z.B. leicht passieren, dass ich auf Feedback des Kundenverantwortlichen warten muss und deshalb nicht vorankomme.

Losgelöst von betrieblichen Abhängigkeiten muss man auch bedenken, dass die eigene Leistungsfähigkeit über den Tag keine Konstante ist. Ich bin in der dritten Überstunde nicht genauso produktiv wie morgens um 10h. Umso länger ich arbeite, um so weniger leistungsfähig bin ich. Das lässt sich allgemein über Unfallstatistiken belegen.

Für mich als Informatiker sind Berufsunfälle eher selten. Mir passiert es aber häufig, dass ich morgens Probleme in kurzer Zeit löse, an denen ich mir noch am Vorabend stundenlang die Zähne ausgebissen habe. Auch passieren mir zu später Stunde mehr Fehler. Ich würde daher tippen, dass zwei Überstunden maximal 1,5h normaler Arbeitszeit entsprechen. Dieser Effekt verstärkt sich noch, wenn man über lange Zeit Überstunden macht. Irgendwann ist man auch um 10h nicht mehr so leistungsfähig wie normal.

Ein weiterer schlimmer Effekt von Überstunden kann sein, dass sie selbstverstärkend sind. Sie wecken Erwartungen. Es soll z.B. Chefs geben, die sich weigern Aufwände zu schätzen. Stattdessen schmeißen sie ihre Mitarbeiter mit Aufgaben zu und unterfeuern diese mit mächtig Termindruck, egal ob der Druck nötig ist oder nicht. Wenn alles glatt geht, ist ihre Schlussfolgerung, dass die Aufgabe zu klein war und der Mitarbeiter beim nächsten Mal noch mehr tun muss.

Man sieht, Überstunden sind keine dauerhafte Lösung. Sie sind nützlich um zwischenzeitliche Projektspitzen abzudecken und wichtige Termine zu halten. Wichtig ist hier, sich im Anschluss auch die Zeit zu nehmen, den Akku wieder voll zu machen. Überstunden sind aber schädlich, um dauerhaft mit zu viel Arbeit umzugehen. Sie steigern meine Effizienz nicht, sie veringern weder Input noch Output und sie wecken Begehrlichkeiten. Alternativen demnächst.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Wette: Stephan Kohn passiert gar nichts

Stephan Kohn ist ein seit kurzem beurlaubter Beamter des Bundesinnenministeriums. Er hatte in einem internen Papier, die Corona Strategie der Regierung angezweifelt und hinterfragt. Seine Grundfrage war, ob die Maßnahmen, die wir gegen Corona ergreifen, nicht mehr Leben kosten als Corona selbst. Es braucht keine großen Modellannahmen, um zu diesem Schluss zu kommen. In den Medien wurde er schnurstracks in die rechte Ecke sortiert und als Verharmloser tituliert. Die direkte Reaktion des BMIs war, ihn freizustellen und mit rechtlichen Schritten zu drohen, d.h. der Entfernung aus dem Beamtenstatus. Und ich stelle mich jetzt mal hin und wette, Stephan Kohn passiert gar nichts. Meine Begründung ist ziemlich einfach. Gerichtsverfahren sind immer mit Risiko für beide Parteien versehen. Das Risiko für Stephan Kohn ist überschaubar, weil schon eingetreten. Das Risiko für das BMI und Herrn Seehofer hingegen ist so groß, dass ich überrascht wäre, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt

Wer ist die schönste Suchmaschine im Land?

Vor einiger Zeit hatte ich meine Unzufriedenheit mit google zum Ausdruck gebracht. In der Zwischenzeit habe ich yahoo , bing und ask als Default-Suchmaschinen für meinen Browser ausprobiert. Schlussendlich habe ich mich für blind search entschieden ;) Blind Search präsentiert die Suchergebnisse von yahoo, google und bing nebeneinander. Man kann die Ergebnisse vergleichen und für die beste Suchmaschine abstimmen. Danach wird aufgeklärt, welches Ergebnis von welcher Suchmaschine stammt. Zwischenstand bisher: bing liegt vorn. yahoo war nie die beste Suche. Wann immer google besser als bing war, waren es Nuancen. Andererseits war bing teilweise markant besser als google. Mein Gefühl sagt mir, dass Microsoft eine ziemliche gute Suchmaschine gelungen ist. Die Hintergrundbilder sind auch schön.