Direkt zum Hauptbereich

Arbeit bei Kollegen parken

In meinen Ausführungen zu (vor-)letzter Woche hatte ich geschrieben, daß das Ziel von Arbeit ist, Arbeit weg zu bekommen. Weg ist eine Aufgabe ab dem Zeitpunkt, wo man einen plausiblen Grund nennen kann, warum man diese Aufgabe aktuell nicht bearbeitet. Die Betonung liegt hierbei auf plausibel. GründeAusreden à la "Mein Hund hat die Hausaufgaben gefressen" bringen einen nicht weit.

In meinen Augen die beste Möglichkeit, Arbeit loszuwerden, ist es, sie bei Kollegen zu parken. Dazu braucht man keine Weisungsbefugnis, sondern das schlichte Einholen von Auskünften reicht völlig aus. Z.B. kann man ein Spezifikationsdokument an einen Kollegen weiterleiten mit der Bitte um ein Review. Wenn man dann gefragt wird, was das Dokument macht, kann man sagen: "Das liegt bei X zum Review".

Kollegen als Grund anzuführen, hat verschiedene Vorteile. Zuallererst kann man auf unser modernes Menschenbild bauen. Kollegen sind gleichberechtigt. Das heißt, die Möglichkeiten Druck auszuüben sind untereinander stark eingeschränkt. Zudem hat man bei Kollegen immer eine Latenz. Der geringste Teil der Dauer zwischen Übertragung und Wiedererhalt ist die eigentliche Bearbeitung. Bedeutsamer ist es, daß der Kollege nicht direkt dazu kommt, eine Aufgabe zu bearbeiten. Meistens hat er andere Dinge, um die er sich kümmern muß, und die Sache bleibt erst einmal eine Weile liegen.

Eine hohe Bedeutung bei dieser Methode kommt der Auswahl des Kollegen X zu. Voraussetzung ist, daß X plausibel als Bearbeiter erscheint. Der Chef muß nachvollziehen können, warum man X die Aufgabe übertragen hat und auf X wartet. Auch sollte X in gewisser Form verantwortlich sein, damit X nicht auf die Idee kommt, die Aufgabe abzulehnen. Wenn man so eine Person gefunden hat (und die gibt es immer), hat man sich direkt schon mal 1 bis 2 Tage Luft verschafft. 1 bis 2 Tage ist ziemlich wenig. Über eine geschickte Auswahl von X ist es möglich, Aufgaben wochen- bzw. monatsweise nach hinten zu schieben.

  1. Wähle einen Kollegen, der keine Zeit hat. Umso weniger Zeit der Kollege hat, umso höher ist die Latenz.
  2. Wähle einen Kollegen, der a) in der Hierarchie über dir steht oder b) möglichst weit von dir entfernt ist. Wenn dein Kollege über dir steht, mußt du auf ihn warten. Auch auf Kollegen aus anderen Abteilungen kann man nicht einwirken. Mir fällt das prinzipiell sehr leicht. Als Externer bin ich per se ganz unten in der Nahrungskette.
  3. Wähle einen Kollegen, mit dem du möglichst wenig persönlichen Kontakt hast. Über persönlichen Kontakt kann man Dinge unkompliziert klären bzw. auch mal freundlich nachfassen. Das ist nicht gewollt, deswegen sollte der direkte Kontakt minimal sein.
  4. Wähle einen Kollegen, von dem alle wissen, daß Arbeit "schon mal" länger rumliegt. Dann erhält man vom Chef ein verständnisvolles Augenrollen als Reaktion auf: "Ich konnte gerade an der Spezifikation nichts machen. Sie liegt bei X."
  5. Kommuniziere per Email. Getreu dem Motto, wer schreibt, der bleibt, ist es wichtig, seine Arbeitsverschiebungen zu dokumentieren. Weiterhin soll es ja Leute geben mit Hunderten "neuer" Emails im Posteingang, so daß sie schnell den Überblick verlieren und eine Anfrage übersehen, womit sich die Latenz signifikant erhöht. Diese Situation kann man durch das kontinuierliche CC'en des gesamten Projektteams kräftig unterstützen.
In einem Projekt habe ich den heiligen Gral des Arbeitsparkens gefunden. Kollege X hatte eine 80% Stelle, davon die Hälfte Home Office. Die anderen 40% war X durchgehend in wichtigen Meetings bzw. am Telefon. X hatte keine Arbeitsorganisation, sondern alles ging spontan und unkoordiniert. Der Emailaccount von X war ein Schwarzes Loch, in das man beliebig Emails schicken konnte, ohne eine Reaktion erwarten zu müssen. Dazu war X als mein Ansprechpartner für viele Fragen vorgesehen und in der Hierarchie auf dem gleichen Level wie mein Chef. Dementsprechend konnten weder ich noch mein Chef Druck machen. Und jedem war klar, daß Aufgaben, die X zu bearbeiten hatte, länger liegen konnten. Und ja, er hat mir verständnisvolles Augenrollen gegeben.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Thomas Fischer bei der WestLB

2004 kam Thomas Fischer zur WestLB : Die WestLB stand damals vor einem Scherbenhaufen. Einerseits liefen die Landesgarantien auf EU-Weisung im nächsten Jahr aus. Andererseits hatte die Bank die Jahre zuvor durch riskante Investment Banking Geschäfte sehr hohe Verluste eingefahren. Trotzdem darf man die Situation der WestLB 2004 nicht mit ihrer Situation heute verwechseln. Bestimmte Geschäftsbereiche, z.B. Teile des Investment Bankings, galten im Landesbankensektor als attraktiv. Nicht umsonst waren die LBBW und Baden-Württemberg noch 2007 (vor der Finanzkrise) stark an einer Übernahme Fusion mit der WestLB interessiert. Thomas Fischer kam mit einem exzellenten Ruf von der Deutschen Bank. Dort saß er im Vorstand und war Hauptkonkurrent von Josef Ackermann um den Posten des Vorstandsvorsitzenden gewesen. Er war unterlegen und ging. Gehässig könnte man sagen zurecht; dazu später mehr.

Wette: Stephan Kohn passiert gar nichts

Stephan Kohn ist ein seit kurzem beurlaubter Beamter des Bundesinnenministeriums. Er hatte in einem internen Papier, die Corona Strategie der Regierung angezweifelt und hinterfragt. Seine Grundfrage war, ob die Maßnahmen, die wir gegen Corona ergreifen, nicht mehr Leben kosten als Corona selbst. Es braucht keine großen Modellannahmen, um zu diesem Schluss zu kommen. In den Medien wurde er schnurstracks in die rechte Ecke sortiert und als Verharmloser tituliert. Die direkte Reaktion des BMIs war, ihn freizustellen und mit rechtlichen Schritten zu drohen, d.h. der Entfernung aus dem Beamtenstatus. Und ich stelle mich jetzt mal hin und wette, Stephan Kohn passiert gar nichts. Meine Begründung ist ziemlich einfach. Gerichtsverfahren sind immer mit Risiko für beide Parteien versehen. Das Risiko für Stephan Kohn ist überschaubar, weil schon eingetreten. Das Risiko für das BMI und Herrn Seehofer hingegen ist so groß, dass ich überrascht wäre, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt