Direkt zum Hauptbereich

Das Casino und der Buchgewinn

Eine populäre Metapher unserer Zeit für das Bankengeschäft ist das Casino. Die Kombination der Suchbegriffe "Bank Casino Kapitalismus" liefert bei Google immerhin knapp 80.000 Treffer. Die Metapher beschreibt schön, dass das Hauptgeschäft der Banken das Zocken ist.

Wie jede Metapher vereinfacht die Casino Metapher die Sachlage. Über die Schwächen der Metapher sollte man sich bewusst sein. Das fängt schon bei den Gewinnchancen an: Beim Roulette sind meine Gewinnchancen transparent (ich verliere pro Spiel 1/37). Bei Derivaten braucht es top Mathematiker um überhaupt ihren Wert schätzen zu können. Auch die Regeln im Casino sind derart, dass ein durchschnittlich intelligenter Mitmensch relativ schnell mitspielen kann (auch wenn er es nicht sollte). Wer mal mit Knock Out Zertifikaten hantiert hat, weiß, dass das im Bankenbereich nicht analog gilt.


Am schlimmsten aber ist die Natur des Gewinns. Im Casino kauft man Chips, die man vor jeder Runde einsetzt. Wenn ich beim Roulette richtig liege, erhalte ich meinen Gewinn direkt ausgeschüttet. Liege ich falsch, behält das Casino meinen Einsatz. Analog geht im Poker der Pott am Ende der Runde an den Sieger.

Bei den Banken hingegen hat man es häufig mit reinen Buchgewinnen zu tun. Ich halte Positionen und bewerte diese. Liegt meine Bewertung höher als mein Einstandspreis, habe ich einen Gewinn. Für Standardprodukte ohne Schnickschnack (plain vanilla) kann ich zur Bewertung immerhin den Marktpreis heranziehen (Mark-to-Market). Für komplizierte Produkte oder Exoten, für die keine Marktpreise vorliegen, greift man dann auf modellgestützte Schätzungen zurück (Mark-to-Model).

Ein realer Gewinn entsteht erst, wenn ich meine Aktien versilbere oder das Geschäft ausläuft und mein Kontrahent auch bezahlt. Wenn der Markt dann aber nicht liquide ist oder meine Modellannahmen falsch waren, dann wird aus dem tollen Buchgewinn ein saftiger Verlust. Im Falle der HSH heißt es z.B., dass wegen falscher Zinskurven die Bewertung eines Portfolios der Bank um 50 Mio € daneben lag.

Diese Buchgewinne führen dazu, dass sich alle über lange Zeit als Gewinner fühlen können. Was dann natürlich noch zu verstärktem Zocken im Casino anregt. Man stelle sich mal einen Pokertisch vor, wo alle Spieler ihre Blätter eigenständig bewerten und sich die Chips auf magische Weise von selbst vermehren...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Literaturempfehlung und Promotionsverfahren

Am Donnerstag schaue ich nach langer Zeit wieder mal bei "meinem" Lehrstuhl rein, wo ich knapp ein Jahr beschäftigt war. Es soll dort tatsächlich jemand die Promotion erhalten. Das will ich mit eigenen Augen sehen. Und ich war schon lange nicht mehr dort. Parallel dazu hat mir meine Freundin " Der ganz normale Wahnsinn - Vom Umgang mit schwierigen Menschen " geschenkt. Ein tolles Buch. Zum ersten Mal hatte ich das Buch am Lehrstuhl an der Hand und habe das Kapitel über narzißtische Persönlichkeiten gelesen. Mein Prof. war nämlich eine. Von neun DSM IV Kriterien erfüllt er locker sechs. Ein anderer Kollege, der schon deutlich länger dabei war, tippte auf acht. Fünf deuten auf die Störung hin. Eine Episode: Ein Assistent hatte ein Paper erfolgreich bei einer Konferenz untergebracht. Der Prof. hatte das Paper gereviewt. Trotzdem stellte der Professor das Paper als seine Leistung war. Der Assistent hatte ja nur "seine Gedanken" umgesetzt (Kriterium 1: Übertre...

Der Berater Hemdensprint

Ich hatte am Montag Abend mit meinem Chef einen Termin beim Kunden, um mich vorzustellen. Der Termin lief so la la . Sie wollten gerne Erfahrungen in der bei ihnen eingesetzten Komponente, die Marktrisiko abdeckt. Ich hingegen verfüge über Erfahrungen mit einer anderen Komponente der Produktfamilie, für Kreditrisiko. Beide Komponenten werden unter demselben Namen vertrieben, es sind aber zwei ganz unterschiedliche Produkte. Eins ist webbasiert , das andere läuft serverseitig . Immerhin verwenden beide das gleiche Farbschema . Der Kunde fragte diesen Unterschied im Gespräch noch einmal explizit nach und verzog das Gesicht, als ich "Nein, mit [...] habe ich keine Erfahrung" antworten musste. Für den Termin hatte ich Sonntag Nacht extra noch zwei Hemden gebügelt. Ich bügele nicht mit Dampf (saut immer so rum ), sondern nutze einen Pflanzenbefeuchter . Der Pflanzenbefeuchter hat den Nachteil, dass die Wäsche nach dem Bügeln noch etwas feucht ist, wenn man ungenau sprüht. Das w...