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Vertrauen als boole'sche Variable

Eine Woche nach der 1,30€ Kassiererin gab es den zweiten Fall, in dem ein Arbeitgeber Mitarbeitern wegen "Diebstahls" fristlos gekündigt hat. Es handelte sich um zwei Bäcker, die sich eigene Brötchen mit Belag der Firma bestrichen hatten (Kräuter-Olivencreme). Anders als bei der Kassiererin wurde dieser Fall für die Arbeitnehmer entschieden. Eine Kündigung wurde wegen eines Formfehlers als nichtig betrachtet. Wer Betriebsräte kündigen möchte, sollte sich vorher über die Formalien informieren. Die andere Kündigung wurde ebenfalls aufgehoben, da die für die Kündigung notwendige Prüfung des Arbeitgebers unzureichend dar. Der Mitarbeiter war seit über zwanzig Jahren im Betrieb. Die Frage wurde nicht geklärt, ob ein Bagatelldiebstahl hinreichend für eine firstlose Kündigung ist.

Die Fall der Bäcker ist für mich in vielerlei Hinsicht anders gelagert als der der Kassiererin:

  • Brotbelag hat höchstens einen imaginären Wert. Es bleibt ohnehin etwas übrig, was denn weggeschmissen wird. Dem Arbeitgeber entsteht selbst bei regelmäßiger Wiederholung kein messbarer wirtschaftlicher Schaden.
  • Pfandbons haben einen realen Wert. Dem Arbeitgeber entsteht Schaden, da die Kunden beklaut werden. Es ist davon auszugehen, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Das Vertrauen in die Ehrlichkeit des Kassierers ist dahin.

Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob sich nicht doch ein Arbeitsgericht findet, das auch aus dem Schmieren von Stullen mit Arbeitgeber-Brotbelag einen schweren Vertrauensverlust ableitet. Vertrauen als boole'sche Variable. Kleinste Fehltritte sind gleichzusetzen mit schwersten und damit hinreichend für die fristlose Kündigung. Platz für Grautöne oder für Differenzierung bleibt nicht. Wenn man diese Ansprüche auf alle Arbeitsverhältnisse anwenden würde, könnte man die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung fristlos kündigen. Wer hat nicht schon mal einen Kugelstift oder Tesafilm aus der Firma mitgenommen?

Am traurigsten an dieser Geschichte finde ich, dass es prinzipiell die unteren Chargen trifft. Niemand beschwert sich (oder prüft nach), wenn ein Berater eine falsche Spesenabrechnung abgibt und privat mit dem Diensthandy telefoniert. Keiner kommt auf die Idee, die Kugelschreiber im Rollcontainer nachzuzählen. Ab einer gewissen Position ist dieses Verhalten sogar vom Arbeitgeber sanktioniert. Ich darf in meiner Firma privat telefonieren und privat drucken. Und weil ich ja auch viel außer Haus arbeite, darf ich auch Arbeitsgeräte mitnehmen. Im Falle der Berliner Kassiererin kann ich mir gut vorstellen, dass derselbe Chef, der ihr fristlos gekündigt hat, seine Sekretärin anhält, Einladungen für seine private Gartenparty zu verschicken. "Ich komm ja sonst nicht dazu."

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