Direkt zum Hauptbereich

Meine maximale Projektdauer

Wie lang sollte ein Projekt dauern? Die Antwort auf die Frage ist einfach, wenn es sich um ein mieses Projekt handelt: Holt mich hier raus! Am besten gestern. Und mit Glück hat der Chef drei Monate später ein Einsehen. Oder er verweist auf die strategische Bedeutung des Kunden, Projektzwänge und die Auftragslage und man hängt hoch motiviert noch ein paar Monate hinten dran.

Aber wie lang sollte ein gutes Projekt dauern? Spannende Aufgaben, nettes Team, Respekt vom Kunden, viel gelernt? Für mich maximal zwölf Monate. Danach zieht es diesen IT-Gesellen wieder hinaus auf Wanderschaft.

Vorab: Ich bin IT-Berater und IT-Projekte dauern automatisch länger als andere Beratungsprojekte. Unter einem halben Jahr macht es selten Sinn. Man braucht viel Zeit (mehr als ein Monat), um überhaupt ins Projekt reinzukommen. Wie sieht die IT-Landschaft des Kunden aus? Welche Technologien werden eingesetzt? Welche Dokumentationsrichtlinien gelten? Wer sind die Ansprechpartner? ... Und wer selbst noch Hand an Quelltext anlegt, statt Captain Powerpoint zu spielen, kommt nicht umhin, viele Tage dem Studium fremden Quellcodes zu widmen.


Dazu kommen noch Prozessanforderungen, die in einem IT-Projekt klar notwendig sind: Anforderungen erheben, Entwickeln, Testen, Produktivsetzen, Bugfixen und Übergabe an den Kunden. Das summiert sich schnell, besonders wenn der Fachbereich nebenher mit Vorrang das Tagesgeschäft betreibt.

Während man zu Projektbeginn schnell und viel lernt, flacht die Lernkurve über die Zeit ab. Irgendwann hat man das notwendige Niveau, um seine Aufgaben zu bewältigen, die Anforderungen ähneln sich und die eigene Arbeit wird immer mehr zur Routine. Was ich schrecklich finde, schätzt der Kunde selbstverständlich genau andersherum ein. Man wird immer produktiver: Weshalb lange Projekte die Tendenz haben, noch länger zu werden. Und Kunden gute Berater ungern gehen lassen.

Lange Projekte haben auch die Tendenz immer weniger Projekt zu sein und immer mehr Tagesgeschäft. Man behebt Fehler und kümmert sich um die Sorgen des Fachbereichs. Für das Altwerden mit Familie ist Tagesgeschäft super. Man kommt morgens und man geht abends und man ist fertig. Projektgeschäft hingegen läuft immer weiter, Software ist nie fertig. Hmn, warum mache ich nur Projektgeschäft?

Mein Hauptgrund, nicht länger als ein Jahr bleiben zu wollen, ist aber ein ganz anderer. Wenn man erst einmal ein Jahr bei einem Kunden ist, fühlt man sich immer mehr wie ein Interner. Aus den Kunden werden Kollegen. Nur mit dem feinen Unterschied, dass man für das gleiche Geld (Banken zahlen sehr gut) mehr arbeitet, nicht zu den Abteilungssitzungen und –festen eingeladen wird und in der Kantine auch mehr zahlt. Sobald ich zwei Jahre am Stück beim gleichen Kunden im gleichen Projekt bin, hätte ich genauso gut dort richtig anfangen können.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Literaturempfehlung und Promotionsverfahren

Am Donnerstag schaue ich nach langer Zeit wieder mal bei "meinem" Lehrstuhl rein, wo ich knapp ein Jahr beschäftigt war. Es soll dort tatsächlich jemand die Promotion erhalten. Das will ich mit eigenen Augen sehen. Und ich war schon lange nicht mehr dort. Parallel dazu hat mir meine Freundin " Der ganz normale Wahnsinn - Vom Umgang mit schwierigen Menschen " geschenkt. Ein tolles Buch. Zum ersten Mal hatte ich das Buch am Lehrstuhl an der Hand und habe das Kapitel über narzißtische Persönlichkeiten gelesen. Mein Prof. war nämlich eine. Von neun DSM IV Kriterien erfüllt er locker sechs. Ein anderer Kollege, der schon deutlich länger dabei war, tippte auf acht. Fünf deuten auf die Störung hin. Eine Episode: Ein Assistent hatte ein Paper erfolgreich bei einer Konferenz untergebracht. Der Prof. hatte das Paper gereviewt. Trotzdem stellte der Professor das Paper als seine Leistung war. Der Assistent hatte ja nur "seine Gedanken" umgesetzt (Kriterium 1: Übertre...

Der Berater Hemdensprint

Ich hatte am Montag Abend mit meinem Chef einen Termin beim Kunden, um mich vorzustellen. Der Termin lief so la la . Sie wollten gerne Erfahrungen in der bei ihnen eingesetzten Komponente, die Marktrisiko abdeckt. Ich hingegen verfüge über Erfahrungen mit einer anderen Komponente der Produktfamilie, für Kreditrisiko. Beide Komponenten werden unter demselben Namen vertrieben, es sind aber zwei ganz unterschiedliche Produkte. Eins ist webbasiert , das andere läuft serverseitig . Immerhin verwenden beide das gleiche Farbschema . Der Kunde fragte diesen Unterschied im Gespräch noch einmal explizit nach und verzog das Gesicht, als ich "Nein, mit [...] habe ich keine Erfahrung" antworten musste. Für den Termin hatte ich Sonntag Nacht extra noch zwei Hemden gebügelt. Ich bügele nicht mit Dampf (saut immer so rum ), sondern nutze einen Pflanzenbefeuchter . Der Pflanzenbefeuchter hat den Nachteil, dass die Wäsche nach dem Bügeln noch etwas feucht ist, wenn man ungenau sprüht. Das w...