Das EU-Parlament hat dieser Tage eine Richtlinie für Gehälter im Finanzsektor verabschiedet. Fokus hier war die Kopplung der Boni an langfristigen Erfolg und Grundgehalt. Nur noch 60% dürfen direkt ausgeschüttet werden, die restlichen 40% in drei bis fünf Jahren. Waiting is the hardest part.
Man kann sich hier schon stören: Was ist langfristiger Erfolg überhaupt? Eine falsche Anlagestrategie kann jahrelang (= langfristig) gut gehen, bis am Ende (= noch langfristiger) alles weg ist. Und dass die Risikobereitschaft eines Bankers als Funktion mit einer unabhängigen Variablen, seinen Bonusmodalitäten, modelliert werden kann, ist etwas einfach.
Etwas einfach ist es auch, was sich in deutschen Medien zu diesem Thema findet. Aus der von mir ansonsten geschätzten Süddeutschen ein Schmankerl:
„[D]ie EU [setzt] keine absoluten Obergrenzen für die Gehälter. Das ist übrigens klug, weil ein solcher Eingriff eine krasse Verzerrung des Wettbewerbs um Talente mit anderen Branchen bedeuten würde.“ [Martin Hesse – Der kleinste gemeinsame Nenner]
Martin Hesse klingt intelligent, wenn er das schreibt. Und seiner Aussage, Banken brauchen gute Mitarbeiter, kann man fast tautologische Qualität attestieren. Almost but not quite.
Die erste Frage, die sich Martin Hesse stellen sollte, ist, welche Branchen heute überhaupt im Gehaltswettbewerb mit dem Finanzsektor mithalten können? Medien und IT jedenfalls nicht, wie er und ich wissen dürften. Selbst Oligpolprofite erwirtschaftende Energieversorger nicht, wie mir ein Bankerkumpel neulich versicherte: „Bei uns verdienst du 1 Mio €, beim Energieversorger 200 T€“.
Die zweite Frage, die sich Martin Hesse stellen sollte, ist, warum Banken überhaupt Oberhand im Wettbewerb für Talente (war of talents!) haben sollten? Tun Banken etwas, was wir als Gesellschaft als höchstes Gesellschaftsziel empfinden? Wenn ihr mich fragt, dann bin ich für gute Lehrer, gute Politiker oder gute Ärzte. Siebenstellig verdient da fast keiner. Und es gibt trotzdem gute Lehrer, Politiker, Ärzte, Ingenieure, Chemiker, Polizisten, Krankenschwestern, Kindererzieher, Sozialarbeiter, ... Sogar gute Informatiker und Journalisten gibt es. Gehalt soll ja nicht der einzige Faktor sein, der die Berufswahl beeinflusst. Und wer sich allein wegen dem schnöden Mammon für einen Job im Bankensektor entscheidet, ist wahrscheinlich genau die Person, die man dort nicht haben will.
Man kann hierzu einwenden und Martin Hesse würde wohl auch, dass wenn wir zukünftige Krise verhindern wollen, es dafür schlaue Leute in Banken braucht. Auch so ein Argument, dass für sich genommen erst einmal als logisch erscheint.
Leider ist es ebenso falsch. Banken zahlen bereits heute (s.o.) sehr gute Gehälter, so dass dort nach Hesses Logik Toptalente arbeiten sollten. Eben diese Toptalente aber konnten die Krise nicht verhindern (Beweis durch Widerspruch).
Ein grundlegendes Problem mit Toptalent ist nämlich, dass es weniger um Intelligenz als absoluten Wert geht, sondern um Intelligenz im Wettbewerb, also als relativen Wert. Auch bei Landesbanken laufen nicht nur Deppen rum, nur bei der Deutschen Bank sind sie eben noch den Tick pfiffiger.
Deshalb habe ich einen einfacheren Vorschlag: Lasst uns das Bankgeschäft einfacher machen, so dass es keine Promotion in Physik oder Mathematik braucht, um die Instrumente zu bewerten; ein schnödes BWL-Studium muss reichen. Es ist ohnehin nie bewiesen worden, dass all die „Finanzinnovationen“ der letzten Jahrzehnte einen positiven Einfluss auf unsere Wirtschaft haben. Back to the banking basics.
Im gleichen Zuge können wir auch gerne eine Gehaltsobergrenze für alle Mitarbeiter in Banken definieren. 500.000€, meinetwegen inflationsindexiert, ist immer noch verdammt viel Geld und sollte reichen, ausreichend gute Leute für Banken zu rekrutieren. Wer Sorgen vor der Auslandsflucht hat: Ob die Engländer oder Schweizer für noch mehr Banken haften wollen oder die Caymans oder Luxemburger es überhaupt können, kann bezweifelt werden. Und durch kreative Gesetzgebung könnte man auch einige Poison Pills hinzufügen, die die Kapitalflucht verhindern.
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