Direkt zum Hauptbereich

Die Lucky Luke Western Bank

Wer bei google die Begriffe Bank, Finanz/Finance und Innovativ beliebig kombiniert, erhält Ergebnisse im Millionenbereich. Es gibt sogar eine Bank, die sich Innovative Bank nennt.

Die von mir am meisten verhasste Verwendung von Innovation im Bankenbereich ist "Produktinnovation". Dass Banken keine Produkte haben, schrieb ich bereits. Ein Konto ist ein Datensatz, eine Menge von Nullen und Einsen in einem Rechenzentrum, eine Dienstleistung, über die ich Zahlungen abwickele. Ein Konto ist kein MP3 Player, keine Tüte Milch und auch keine Verpackungsmaschine. Genauso wenig ist ein Kredit, ein Fonds oder ein Depot ein "Produkt".


Das Lustige am Wort Produktinnovation ist, dass auch der zweite Teil, die Innovation, nicht auf Banken zutrifft. Dazu muss man nur einen Blick auf die lange Geschichte der Bank anschauen: Die Erfindung der europäischen Bank liegt im Mittelalter. 600 Jahre sollten ausreichen, um eine gewisse Markt- und Prozessreife zu entwickeln, die keinen Platz mehr für echte Innovation lässt. Zum Vergleich: Autos gibt es hundert, PCs dreißig Jahre. Ausklammern möchte ich den Zahlungsverkehr.

Um das Innovationspotential einer Bank im Kerngeschäft darzustellen, nämlich dem Einlagen- und Kreditgeschäft, möchte ich kurz die Lucky Luke Western Bank vorstellen. Die Western Bank hat ein einfaches Geschäftsmodell: Sie nimmt Einlagen der lokalen Bevölkerung entgegen und verleiht dieses Geld weiter, z.B. an die Eisenbahngesellschaft, um einen Bahnhof im Ort zu bauen. Ihr Geld verdient sie damit, dass sie die Einlagen niedriger verzinst als die Kredite. Da bleibt zwangsläufig was hängen, wenn man es richtig macht. Die Frage ist, was man bei der Differenz berücksichtigen muss:
  • Finanzierungskosten: Die Western Bank verleiht die Einlagen der Bevölkerung. Wenn sie nett ist, zahlt sie Zinsen für die Einlagen.
  • Laufende Kosten: Die Western Bank hat Mitarbeiter, sie muss in ein Gebäude und einen Dalton sicheren Tresor investieren.
  • Liquiditätsreserve: Will ein Cowboy sein Geld im Saloon verzechen, verspielen und verXXXen, muss sie ihm das Geld auszahlen können. Sie braucht also eine Barreserve. Geld, das nicht verliehen wird, verdient kein Geld.
  • Erwartete Ausfälle: Wenn ich 100 Goldgräbern die Spitzhacke (je 10$) finanziere und zwei davon kein Gold finden, kann ich mir zwar die Spitzhacke zurückholen. Auf den Zinsen (1$) und der Differenz zwischen Anschaffungswert (10$) und Wiederverkaufswert (6$) bleibe ich aber sitzen (in Summe 10$ auf 1000$ Kreditvolumen = 1%). Ich muss mir vor der Kreditvergabe überlegen, wie hoch die erwarteten (= durchschnittlichen) Ausfälle sind.
  • Nicht-Erwartete Ausfälle: Jetzt kann man zwar erwarten, dass nur zwei von 100 Goldgräbern ausfallen. In einem schlechten Jahr können es aber auch vier sein. Wenn es gut läuft, keiner. Für das schlechte Jahr muss man Rücklagen bilden.
  • Schätzungenauigkeit: Wenn der Goldrausch in der Stadt anfängt, verfügt die Bank über keine Erfahrungswerte für die Finanzierung von Spitzhacken. Sie weiß also nicht, wie viel sie für eine gebrauchte Spitzhacke erzielen kann und wie viele Goldgräber im Schnitt pro Jahr ausfallen. Will die Bank Geschäft machen, muss sie diese Unsicherheit bepreisen und oben drauf schlagen. Das kann dazu führen, dass sich ein Kredit nicht mehr lohnt.
  • Schätzfehler: Der Goldrausch neigt sich dem Ende. Seit der Gründung der Bank fielen im Schnitt zwei Goldgräber pro Jahr aus. Weil das Gold knapp wird, fallen auf einmal zehn Goldgräber aus. Das war nicht erwartet und wird selten bepreist.
  • Gewinn: Last but not least schlägt die Western Bank ihren Profit oben drauf.
Das ist ein einfaches Modell für eine klassische Bank. Man mag einwenden, dass wir heute globale Kapitalmärkte haben, eine Differenzierung der Banken in Retail und Investment Banken, Zentralbanken, LIBOR, den Interbankenmarkt, Portfoliorisiken, ... Am Ende bleibt es dabei, dass Banken an der Differenz zwischen Einlagezinsen und Kreditzinsen verdienen.

Bei der Lucky Luke Western Bank bedeutet Innovation, dass die Schere zwischen Einlagenzins und Kreditzins sinkt, also Sparer mehr Zinsen erhalten und Schuldner weniger zahlen. Der Haupttreiber für Innovation liegt in der Bewertung der Risiken. Umso besser ich schätzen kann, wie viele Goldgräber ausfallen, umso schärfer kann ich kalkulieren. Das kann dazu führen, dass man "Kredite" möglich macht.

Ein schönes Beispiel sind 100% Finanzierungen. Früher brauchte man Eigenkapital, um Eigentum zu erwerben, meistens 20%. Das hatte für die Bank den Vorteil, dass sie davon ausgehen konnte, im Falle einer Insolvenz die Restschuld durch den Verkauf der Immobilie zu begleichen. Die Bank hatte also kein Verlustrisiko, was sich in entsprechend niedrigen Zinsen dargestellt hat. Für die Kreditnehmer hatte das den Nachteil, nicht sofort kaufen zu können. Sie mussten erst ein paar Jahre sparen und weiter Miete zahlen, bevor sie kaufen konnten. Die 100% Finanzierung ermöglicht es jetzt, sofort zuzuschlagen.
Was dahinter steht, ist eigentlich ganz einfach. Angenommen wir haben eine Familie, 120.000€ Familieneinkommen, die sich ein Haus im Vorort für 200.000€ kauft.
  • Von den 200.000 trennen wir die klassischen 80% ab. Für die 160.000€ liegt kein Kreditrisiko vor, es gibt ja einen Gegenwert: 5% Zinsen.
  • Bleiben 40.000€. 40.000€ reicht bei Peter Zwegert, um einen Menschen in die Privatinsolvenz zu treiben. Bei einem Haushaltseinkommen von 120.000€ hingegen sind 40.000€ Schulden ohne Sicherheit machbar: 15% Zinsen.
  • Indem man nun die Zinsen für die Hypothek und die für den "Dispo" mittelt (im Verhältnis 4:1), kommt man auf die 100% Finanzierung: 7% Zinsen.
Man sieht: Innovation ist das nicht, sondern ein Umverpacken existierender Kreditformen. Das Risiko (und die Risikoprämie) fällt, wenn ich davon ausgehe, im Insolvenzfall mehr als 80% der Schulden über den Immobilienverkauf bedienen zu können. Dies war ein wesentlicher Treiber z.B. in Spanien.

Es sei angemerkt, dass die Verfügbarkeit einer 100% Finanzierung nur in den wenigsten Fällen wirklich eine sinnvolle Innovation ist. Wer vorhat sich für mehrere Hunderttausend Euro eine Immobilie zu kaufen, sollte sparen können. Das Eigenkapital führt zu einer Verringerung der Zinsen (5% statt 7%) und damit zu einer schnelleren Tilgung. Und der Abstand zwischen Immobilienwert und Kredit bedeutet, dass nicht nur die Bank einen Puffer hat, sondern auch man selbst: Wenn alles schief geht, kommt man ohne Schulden raus.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Finanzblog des Jahres? Sicherlich.

Dieser Blog wird ab morgen für den Finanzblog des Jahres Finance Blog of the Year nominiert sein. Die Organisatoren von Smava, einer P2P-Bank, haben mir einen entsprechenden Kommentar an meinen SOA Post  angehängt . Wobei sie verwundert bemerkt haben, dass ich überhaupt keine Kontaktdaten auf der Seite habe... KURZER HINWEIS: Der Blog ist anonym, weil ich ungern beim Kunden oder von meinem Chef darauf angesprochen werden möchte. Ich verdiene kein Geld mit meinen zwölf Lesern am Tag und habe auch keine Werbung. Gehostet wird er in den USA (blogspot.com). Deswegen spare ich mir auch das Impressum. Damit wäre dann auch klar, dass ich nicht gewinnen will. ;)

Thomas Fischer bei der WestLB

2004 kam Thomas Fischer zur WestLB : Die WestLB stand damals vor einem Scherbenhaufen. Einerseits liefen die Landesgarantien auf EU-Weisung im nächsten Jahr aus. Andererseits hatte die Bank die Jahre zuvor durch riskante Investment Banking Geschäfte sehr hohe Verluste eingefahren. Trotzdem darf man die Situation der WestLB 2004 nicht mit ihrer Situation heute verwechseln. Bestimmte Geschäftsbereiche, z.B. Teile des Investment Bankings, galten im Landesbankensektor als attraktiv. Nicht umsonst waren die LBBW und Baden-Württemberg noch 2007 (vor der Finanzkrise) stark an einer Übernahme Fusion mit der WestLB interessiert. Thomas Fischer kam mit einem exzellenten Ruf von der Deutschen Bank. Dort saß er im Vorstand und war Hauptkonkurrent von Josef Ackermann um den Posten des Vorstandsvorsitzenden gewesen. Er war unterlegen und ging. Gehässig könnte man sagen zurecht; dazu später mehr.

Wette: Stephan Kohn passiert gar nichts

Stephan Kohn ist ein seit kurzem beurlaubter Beamter des Bundesinnenministeriums. Er hatte in einem internen Papier, die Corona Strategie der Regierung angezweifelt und hinterfragt. Seine Grundfrage war, ob die Maßnahmen, die wir gegen Corona ergreifen, nicht mehr Leben kosten als Corona selbst. Es braucht keine großen Modellannahmen, um zu diesem Schluss zu kommen. In den Medien wurde er schnurstracks in die rechte Ecke sortiert und als Verharmloser tituliert. Die direkte Reaktion des BMIs war, ihn freizustellen und mit rechtlichen Schritten zu drohen, d.h. der Entfernung aus dem Beamtenstatus. Und ich stelle mich jetzt mal hin und wette, Stephan Kohn passiert gar nichts. Meine Begründung ist ziemlich einfach. Gerichtsverfahren sind immer mit Risiko für beide Parteien versehen. Das Risiko für Stephan Kohn ist überschaubar, weil schon eingetreten. Das Risiko für das BMI und Herrn Seehofer hingegen ist so groß, dass ich überrascht wäre, wenn es überhaupt zu einer Verhandlung kommt