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Linke "Spinnereien" und die Transaktionssteuer

Es gibt linke Ideen, mit denen man sich direkt lächerlich macht. Zwei Beispiele aus dem NRW-Wahlkampf:
  • Die Piratenpartei will den öffentlichen Nahverkehr kostenlos machen.
  • Die Linke will EON und RWE verstaatlichen.
Der historisch informierte Leser wird zucken: Haben wir denn noch/schon Oktober? Nahverkehr für alle war gewiss eine der Parollen, mit denen Lenin nach Russland zurückkehrte. Aber ignorieren wir kurz mal die bedenklichen historischen Parallelen und schauen wir uns die Vorschläge noch mal im Detail an:
  • Der Nahverkehr wird bundesweit primär über Steuern finanziert. Bahntickets, die verkauft werden, decken gerade mal ein Drittel der tatsächlichen Kosten. Studenten in NRW zahlen für ein NRW-weites Ticket übrigens gerade mal 250€ im Jahr. Eine Diskussion findet sich im Wiki der Piratenpartei.
  • Staatseigene Betriebe Kombinate gibt es im Energiesektor zuhauf. Heißen Stadtwerke und versorgen Deutschland mit Strom und Gas. Was es weniger gibt, ist Wettbewerb zwischen den großen Energieversorgern wie EON oder RWE. Die Preise sind weiterhin hoch, die Liberalisierung hat bisher nur die Investoren glücklich gemacht.
Aktuell vertritt die schwarz-gelbe (liberal-konservativ) Regierung eine für viele marktliberale und wirtschaftsorientierte Blogger, Banker, Journalisten oder Manager wahnsinnige Position. Unwissenheit und Ignoranz werden als Treiber gesehen. Sie wird als nutzlos gesehen, weil ihre Erhebung so schwer sei und nationale oder (binnen-)europäische Alleingänge fruchtlos seien. Und sie würde ihre Ziele nicht erreichen, im Gegenteil, riskante Spekulation würde sogar noch angeheizt. Ach ja, und propagiert wurde diese Steuer jahrelang von den Spinnern von Attac, den Gewerkschaften und der Kirche.


Zuallererst, denn das scheint bei den meisten Kommentatoren verloren gegangen zu sein: Sinn und Zweck einer Steuer ist es, Geld für den Staat einzusammeln. Wenn der Staat Kriegsboote finanzieren will, dann kann er auch Schaumwein besteuern, auch wenn Krieg und Sekt wenig gemein haben und der Schaumweinumsatz darunter leidet.

Wenn man eine Steuer beurteilen will, gibt es verschiedene Kriterien. Die in meinen Augen wichtigsten sind:
  1. Gerechtigkeit: Die Steuer muss von den Bürgern akzeptiert und als gerecht empfunden werden.
  2. Aufwand und Ertrag: Die Steuer sollte leicht zu erheben sein und gute Erträge bringen. 
Zu 1) Dank der Finanzkrise ist die soziale Akzeptanz jedweder Steuer auf Banken und den Finanzmarkt als gegeben zu betrachten. Wenn irgendwer die Idee bekäme, des Bankers liebsten Golfclub, ihre repräsentativen Hosenträger oder ihre Boni zu besteuern, nur zu.

Zu 2) Hier bin ich diametral anderer Meinung als andernorts. Der Charme einer Transaktionssteuer wäre gerade, dass sie so leicht zu erheben ist. Wo immer Positionen an einer Börse gehandelt werden, werden bereits Börsengebühren fällig. Hier würde der Staat sich einfach einklinken und seinen Anteil abfrufen. Auch im OTC-Handel, wo Finanzmarkt-Akteure direkt Geschäfte miteinander abschließen, werden alle Gschäfte im Computer abgebildet, so dass auch hier eine Besteuerung zeitnah und unkompliziert erfolgen kann.

Anders als eine direkte Steuer wie die Bankenabgabe gibt es bei einer indirekten Besteuerung auch keine Bewertungsprobleme: Man besteuert dumm den Umsatz (die Nominale) statt sich aktiv mit den Bilanzen, Gewinnen, Verlusten, Bewertungen oder Rücklagen zu beschäftigen. Die zeitnahe Besteuerung würde zudem das Kreditrisiko des Staates gegenüber den Finanzmarktakteuren verringern. Statt auf einen Jahresabschluss zu warten, kommt das Geld monatlich.

Das Ertragspotential der Steuer ist immens. Attac, die linken Spinner, beziffert die jährliche Einnahmen auf 270 Mrd € in Europa allein. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die absolute Anzahl der Transaktionen und ihr Volumen zurückgeht und Attac reißerisch schätzt, dürfte allein für Deutschland ein zweistelliger Milliardenbetrag pro Jahr hängen bleiben. Alternativ können wir aber gerne bei Rentern, Arbeitslosen, Kindern oder an der Bildung sparen.

Was aber mit der internationalen Vermeidung? Was hindert Akteure daran, ihre Geschäfte in London, New York oder auf den Caymans zu machen? Diese Globalisierungserpresserlogik, nach der alle nationalen Eingriffe zum Scheitern verurteilt sind und man sie am besten unterlässt, bezweifele ich ebenso.

Geld ist zum Großteil kein herrenloses Gut, das ungebunden durch die Welt vagabundiert. Geld hat am Anfang immer einen Eigentümer, sei es der Kleinsparer mit dem Tagesgeldkonto, der Anwalt mit dem Investmentfonds, der reiche Erbe mit dem Family Office oder die deutsche Bank. Wenn die Heimat Deutschland ist, kann man die Transaktionssteuer at least für die erste Transaktion (nämlich die aus Deutschland raus) erheben.

Zusätzlich hat der Staat ein paar weitere Stellschrauben, die einen Investor dazu bringen könnten, die Transaktionssteuer bereitwillig und freudig zu zahlen. Man könnte beispielsweise verlangen, dass alle Transaktionen, die Riester-gefördert werden, Transaktionssteuer zahlen. Oder man könnte das Steuergeschenk an Deutschlands Oberschicht, die Versteuerung von Kapitaleinkünften mit 25% Quellensteuer, daran binden, dass alle Transaktionen Transaktionssteuer zahlen. Wenn ich die Wahl zwischen Höchststeuersatz ohne Transkationssteuer (>40%) und Quellensteuersatz (25%) plus Transaktionssteuer (Promillbereich) habe, braucht es kein Middelhoffsches Finanzgenie, um die Transaktionssteuer wertzuschätzen.

Bleibt noch der Punkt, an dem sich viele aufhängen: die Seiteneffekte einer Transaktionssteuer. Für mich ist das ein Nebenschauplatz (s.o.). Ob und wie eine Transaktionssteuer die Bewegungen am Finanzmarkt ändert, sieht man erst im Nachhinein. Für mich als Kleinsparer sehe ich jedenfalls keine harten Konsequenzen. Wenn ich Aktien halte, dann sind ein bis zwei Promill-Steuer (1/10 Prozent) pro Jahr aufs Depot sicherlich verkraftbar. Allein die Depot- und Börsengebühren überschreiten die Steuerkosten signifikant. Wer parallel zum Job als Daytrader unterwegs ist, shit happens.

Für die Industrie, die beispielsweise auf FX-Derivate zurückgreift, um sich gegen Wechselkursrisiken abzusichern, sind 0,1-0,5 Promill ebenfalls tragbar. Daran scheitert kein Geschäft, eher an überhöhten Schmiergeldforderungen.

Für die Banken würde die Transaktionssteuer sicherlich einen Anreiz darstellen, die Massentransaktionen zu reduzieren. Wer mal in die Bücher einer Bank geschaut hat, sieht, dass dort Positionen über Positionen eingegangen werden, die sich immer wieder selbst wegkürzen (netten, hedgen). Beispiel: Es gibt zigfach mehr CDS (Kreditversicherungen) als es überhaupt versicherte Kredite gibt.

Dieser Positionsmüll erschwert die Prüfung durch Risikomanagement und Regulierung. Schlimmer noch ist die Pseudosicherheit, die das konstante Hedging suggeriert. Wir haben keine Zinsrisiken und Währungsrisiken in den Büchern, es ist alles sauber weghedged. Wie toll dieses hedgen funktioniert, hat man in der Krise gesehen.

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